Wie kontaktloses Boxen gegen Angststörungen helfen kann

Foto: Sarah Cervantes / Unsplash (CC0)
Ein Verein aus England hilft Kindern und Jugendlichen, mit psychischen Problemen umzugehen – durch gezieltes Training in kontaktlosem Boxen. Ein Beispiel zeigt, wie viel das bewirken kann.
Kaum etwas scheint weiter voneinander entfernt zu sein als Therapie und Kampfsport: Bei einer Gesprächstherapie etwa, wie man sie aus Filmen und Serien kennt, sitzen die Gesprächspartner auf Abstand, bewegen sich kaum, sprechen eher ruhig miteinander und versuchen, respektvoll zu bleiben. Beim Boxen dagegen dreschen zwei Gegner mit voller Kraft aufeinander ein, Blut und Knochenbrüche inbegriffen – mit dem Ziel, dass der andere am besten gar nicht mehr aufsteht.
Natürlich gibt es mittlerweile eine Menge weiterer Therapieformen von der Tanz- bis zur Urschrei-Therapie. Aber Boxen? Bei Angstörungen? Oder gar Esstörungen? Das scheint zumindest auf den ersten Blick recht ungewöhnlich.
Die NGO Empire Fighting Chance in Bristol, England, verfolgt jedoch diesen Ansatz, wenn auch ohne direkten Körperkontakt. Sie hat spezielle Programme entwickelt, in denen sie kontaktloses Boxen mit intensiver persönlicher Betreuung oder Therapie kombiniert, um Kindern und Jugendlichen zu helfen, persönliche Probleme und psychische Störungen zu bewältigen. Und sie ist damit ziemlich erfolgreich.
Die Essstörung K.O. schlagen
Die 15-jährige Enya etwa hatte Angst, sich beim Essen zu verschlucken, so sehr, dass sie irgendwann fast gar nichts mehr aß. In der Folge magerte sie so stark ab, dass die Ärzte sie warnten, ihre Organe würden in ein paar Wochen aufhören zu funktionieren, wenn sie so weitermache. So beschreibt es das britische Magazin Positive News.
Nach einem Jahr psychologischer Behandlung habe ihre Schule ihr dann die Arbeit von Empire Fighting Chance empfohlen – mit durchschlagenden Ergebnissen. Ein Tag pro Woche dort habe ihr geholfen, ihre Angststörung zu bändigen und wieder mehr zu essen. Und ihre Anwesenheitsquote in der Schule sei von null auf 84 Prozent gestiegen.
Sie habe sich ins Boxen verliebt, berichtet Enya. Wenn sie die Boxhandschuhe anhabe, fühle sie sich „zehn mal anders“: viel ruhiger, glücklicher, frei von Sorgen und Angst. Und weil sie das Boxen liebe und unbedingt damit weitermachen wolle, müsse sie eben auch mehr essen.
Schattenboxen für alle?
Die britische Organisation kam ursprünglich durch Zufall darauf – als zwei Boxlehrer zwei Jugendliche sahen, die im benachbarten Park Drogen verkauften. Sie sprachen sie an und luden sie zum Boxen ein, als sinnvolle Alternative. Sie brachten ihre Freunde mit und nach sechs Wochen waren schon 50 Jugendliche da, die fünfmal pro Woche trainierten. Und ein paar Jahre und Zwischenschritte später war das ganze das größte Schuleingliederungsprogramm für kontaktloses Boxen im Vereinigten Königreich.
In einer Zeit, in der der Ausdruck von Aggressionen in zwischenmenschlichen Beziehungen oft tabu ist, und es vielen Kindern und Jugendlichen an Bewegung mangelt, leuchtet es ein, dass gerade Kinder und Jugendliche mehr körperliche Aktivitäten brauchen, auch um bedrückende Gefühle zu verarbeiten. Wenn das dann auch noch gezielt mit Gesprächen oder gleich Therapie kombiniert wird, wie bei der NGO aus Bristol, und die Knochen heil bleiben: umso besser.
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