Häufige Vorurteile und Missverständnisse
Auch wenn die Konzepte des Lösungsjournalismus und des Konstruktiven Journalismus mittlerweile gut etabliert sind, so sind sie doch immer noch vergleichsweise jung und es kursieren immer noch viele Vorurteile und Missverständnisse ihnen gegenüber. Die wichtigsten Antworten darauf haben wir hier zusammengestellt.
Vorurteil 1: Konstruktiver Journalismus / Lösungsjournalismus blendet Probleme aus
Wer sich auch nur ein bisschen mit konstruktiver Berichterstattung beschäftigt, merkt schnell, dass Probleme dort keineswegs ausgeblendet werden. Schließlich gehört zu jeder Lösung auch ein Problem, und um die Lösung zu verstehen, muss auch das jeweilige Problem und sein Kontext erklärt werden. Probleme und Herausforderungen sind der Anlass, um nach Lösungen zu suchen. Der Unterschied ist, dass man nicht bei der Beschreibung von Problemen aufhört, sondern gezielt nach Lösungen sucht und diese analysiert.
Vorurteil 2: Konstruktiver Journalismus sieht die Welt durch eine rosarote Brille
Wie bereits oben erklärt: Mit dem Wissen über Lösungen wächst auch das Wissen über Probleme. Wenn lösungsorientierter Journalismus ordentlich gemacht wird, besteht keine Gefahr von Schönfärberei. Richtig ist zwar, dass durch Berichte über Lösungen ein positiveres Gesamtbild entsteht als durch ausschließlich negative Skandal- und Katastrophenberichterstattung. Letzteres ist allerdings oft keineswegs realistisch. Vielmehr haben Studien immer wieder gezeigt, dass das Übergewicht negativer Beiträge in den Medien dazu führt, dass viele Menschen gesellschaftliche Entwicklungen übertrieben schlecht einschätzen (zum Beispiel, wenn sie in Umfragen angeben, die Kriminalität haben zugenommen, obwohl sie in Wirklichkeit abgenommen hat). Lösungsjournalismus kann in diesem Fall tatsächlich helfen, zu einer realistischeren Wahrnehmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu kommen.
Vorurteil 3: Konstruktiver Journalismus ist unkritisch
Dass Konstruktiver Journalismus unkritisch sei, ist ebenfalls ein weit verbreitetes Missverständnis. Dabei ist eine kritische Grundhaltung, sorgfältiges Hinterfragen und das klare Benennen von Schwachpunkten im Konstruktiven Journalismus wesentlich – genauso wie in jeder anderen Form von Journalismus. Eines der vier Kriterien des Solutions Journalism Network für guten Lösungsjournalismus ist gerade das Thematisieren von Begrenzungen von Lösungsansätzen. Viele Lösungsansätze stecken noch in den Kinderschuhen, andere kämpfen mit Hürden bei der Finanzierung, der Skalierung oder politischem Gegenwind. Es schadet guten Ideen und Projekten nicht, bei ihrer Beschreibung darauf hinzuweisen; im Gegenteil: genau das ist wichtig, um sich ein realistisches Bild zu machen und sie richtig einordnen zu können; und um am Ende abschätzen zu können, welcher Ansatz wie viel Veränderungspotenzial hat.
Vorurteil 4: Konstruktiver Journalismus ist PR
Eine Pressemitteilung beschreibt einen Gegenstand aus einer einzigen Perspektive, nämlich der eigenen, und lässt unangenehme Umstände gerne außen vor. Gerade so nicht zu berichten, ist ein Wesenskern des Journalismus, auch des Konstruktiven Journalismus. Durch das Einbeziehen mehrerer Perspektiven und die kritische Analyse der Grenzen eines Ansatzes lässt sich der Vorwurf, PR zu betreiben leicht entkräften. Dies bedeutet freilich nicht, dass gute Ansätze deshalb schlecht geredet werden müssen. Notorisches Nörgeln ist ebensowenig ein Qualitätsmerkmal wie übertriebene Schönfärberei.
Missverständnis 1:Konstruktiver Journalismus ist will den bisherigen Journalismus komplett ersetzen
Nein, darum geht es keineswegs. Vielmehr geht es darum, bestimmte Elemente zu stärken und den Fokus zu erweitern: handwerklich sauber über Lösungen zu berichten, marginalisierte Akteure mit einzubeziehen, neue Formate für Diskussionen und Debatten zu finden, und den Themenmix insgesamt konstruktiver zu gestalten.
Missverständnis 2: Konstruktiver Journalismus macht einfach “Good News”
Mehrere Medien haben sich in den letzten Jahren eine Rubrik mit “Good News” eingerichtet, um den eigenen Nachrichtenmix positiver zu gestalten. Ist das dann schon konstruktiver Journalismus? Das kommt darauf an. Ohne klare Kriterien einfach positive Nachrichten aus verschiedenen Bereichen zu produzieren, ist noch lange kein Konstruktiver Journalismus. Und wer bestimmt überhaupt, was nun positiv ist und was nicht? Allerdings ist es tatsächlich so, dass Berichte über funktionierende Lösungen für soziale Probleme oft als äußerst positiv wahrgenommen werden. Wenn diese Probleme dort auch klar benannt und analysiert werden, transportiert diese Art von Lösungsjournalismus zwar auch Wissen über (negative) Probleme mit sich. Andererseits wirkt es umso positiver, wenn sich für sie eine funktionierende Lösung findet. Fazit: Konstruktiver Journalismus wirkt in der Regel positiv. Trotzdem sind längst nicht alle positiven Nachrichten auch konstruktiver Journalismus.